WÀhrne es die Natur derzeit nicht so gut mit uns meint, war ich gestern bei Schneeregen und Sturm kurz auf der Burg. Als ehemaliger Bewohner der Burg, habe ich immer was dazu zu erzÀhlen ...
Wir beginnen am Schlossberg.
Dies war, neben der Westtoranlage, der einzige Weg, frĂŒher die Burg zu erreichen. Geht man den Schlossberg nach unten, so trifft man wiederum auch starke Befestigungsmauern, die Nordostbastion, den Burggraben und eine ehemalige ZugbrĂŒcke, welche heute steinern gebaut ist.
Als wir noch Kinder waren, wurde der Schlossberg immer gern als Rodelberg und im Sommer als Teststrecke fĂŒr Fahrradtachometer genutzt. So ganz ungefĂ€hrlich war es aus heutiger Sicht nie. Fahrradhelme gab es nicht und man machte sich darĂŒber auch nie Gedanken. Ich kann mich noch daran erinnern, dass die das Pflaster nachbesserten und Sand streuten. Axel mit ca. 30 km/h mit dem Rad runtergefahren und unten standen ein paar Ă€ltere Touristen. "Bahnefrei!" gerufen, aber keiner hörte es. Vollbremsung mit dem Rad und volles Kanonenrohr auf dem Sand ausgerutscht. Kniee und Ellenbogen aufgeschlagen und dann kĂŒmmerten sich die Omas sorgsam um einen. Aber wie es dann immer so ist. Passt schon, nach Hause gehen, umziehen und Wundern kurz versorgen und dann ging es weiter.
Im Bild sieht man links ein StĂŒck der Streichwehr Merseburg. Dies waren vor grauer Vorzeit SoldatenunterkĂŒnfte bzw. sicherte man damit auch die oberen ZugĂ€nge (Torhaus, Innenhof der Westtoranlage) zur Burg ab.
Bis Ende der 80 Jahre wurde die Burg u.a. auch als Wohnraum genutzt und einige GebĂ€ude als stinknormale Mietswohnungen. In der Streichwehr Merseburg wohnte eine alte Dame, von jener ich auch heute noch das "Pfannkuchenrezept" habe. Wie es frĂŒher so ĂŒblich war, pflegte man immer enge nachbarschaftliche Kontakte. Joar und diese alte Frau war sozusagen meine 5. Oma. *gg* Silvester gab es dort um Mitternacht immer Pfannkuchen und auch sonst saĂ man immer mal gemĂŒtlich zusammen, trank Kaffee oder feierte Geburtstage zusammen. Mitunter auf engstem Wohnraum gehockt, war das Haus immer voll. Da wurde noch jeder Kuchen, jede Torte, jedes essbare beiwerk selbstgemacht. Die Auswahl war immer groĂ und sehr lecker.
Ich weiĂ noch, wie mein Vater der alten Dame ganz hochwissenschaftlich den neumodischen Sahnesiphon erklĂ€ren wollte und die Sahne anschlieĂend quer durch das halbe Wohnzimmer, samt GĂ€ste, versprĂŒht wurde. Aber das machte nichts, denn alle lachten darĂŒber und halfen mit, die Sahne wieder zu entfernen.
FĂŒr Kinder war es nie langweilig, da halt auch wirklich jeder seine Kinder, Enkelkinder mitbrachte. Dann spielte man eben solange im Burggraben Verstecke, baute aus Luftballons Wasserbomben ... langweilig wurde es nie und das ganz ohne Spielkonsolen oder PCs.
Die Streichwehr Merseburg wurde in 2 Bauabschnitten gebaut, sodaĂ nur ein Teil unterkellert ist. Auch heute noch sieht man es auf der RĂŒckseite des Hauses.
Achso ja. Da die alte Dame nicht mehr so laufen konnte, man damals noch mit Kohlen heizte, war es selbstverstĂ€ndlich, dass man beim Vorbeigehen einen Eimer Kohlen aus dem gegenĂŒberliegendem Stall holte. Es gab dann immer was dafĂŒr. Entweder eine Hand voll Schogetten, oder eben einfach nur mal ein Bonbon aus der SchĂŒrzentasche.
Weiter geht es zum Torhaus ...
Links im Bild sieht man den heute noch zugĂ€nglich und bis Anfang der 80 Jahre bewohnbaren Teil des Torhauses. Das heutige Tor, war frĂŒher ebenfalls mit einem Haus gesichert und bildete den einzigen wehrhaften Eingang der Burg.
Auf dem Zinnenkranz des heutigen Tores ĂŒbten wir mal Zirkus. Aber nur fĂŒr 2 min, da wir erwischt wurden und es einen tĂŒchtigen Satz hinter die Ohren gab. Ist ja auch klar, da es ja auch ganz schön hoch ist, wenn man anschlieĂend runterfallen wĂŒrde!
Wie man im Bild sieht, befinden sich in der Wand SchieĂscharten. Diese sind Teil eines "Schuppens", welcher vom Burghof her zugĂ€nglich ist. Das war der Mopedschuppen, die Werkstatt vom Nachbarn. Mit Nachbarstochter hab ich da immer durchgeguckt und man erschreckte dann immer gern vorbeiaufende Passanten, welche uns nicht wenig einen Vogel zeigten, aber auch lachten.
Gehen wir nun auf die Burg und schauen uns den oft genannten Dicken Heinrich an.
FĂŒr mich persönlich ist er in Geschichten, oder eben spĂ€ter in Form von Likör, viel gröĂer und mĂ€chtiger, als er in Wahrheit ist. Das liegt wohl an den vielen schönen Erinnerungen, die damit verbunden sind. Er stand eben direkt vor unserer HaustĂŒr und selbst jetzt, wenn ich diesen Beitrag schreibe, nachdenke, nach links schaue und aus dem Fenster sehe, schaut er mich an.
Das Betreten des GelĂ€ndes geschieht auf eigene Gefahr, da der Turm mit seinen ĂŒber 1000 Jahren, ja nun wirklich nicht mehr der JĂŒngste ist. Gerade bei StĂŒrmen war es frĂŒher immer etwas gefĂ€hrlich, sich in seiner NĂ€he aufzuhalten, da dann mitunter einzelne Steine herunterfallen konnten. Anfang der 90 Jahre wurde er dann aber zum GlĂŒck gesichert und das Risiko eines Steinschlages vermindert.
Unheimlich sah es wohl aus, wenn man auf der Couch im Wohnzimmer lag und ihn direkt ins Gesicht schauen konnte. Besonders an nebligen Tagen, wenn man nur noch schwach die Umrisse erkennen konnte, dachte man der Turm sei unendlich groĂ. *muhahahaha*
Kurzer Blick nach links zum Lindenbaum ...
Heute nicht mehr sichtbar, befanden sich direkt vor dem Haus Blumenbette und vor allem dekorierte alte Tratktorreifen. Die Reifen mussten schon vor ĂŒber 20 Jahren weichen, da dies nicht in das Bild einer mittelalterlichen Burg passte. Wobeich vor gar nicht allzulanger Zeit mal in einer TV Ratgebersendung, einen Tipp mit dekorierten Tratkorreifen sah. Scheint wohl wieder Mode zu sein.
Direkt vor dem Baum war mein Sandkasten und wohl der Hauptaufenthaltsplatz im Sommer. Es kam eigentlich immer jemand vorbei. Manche kannte man und manche waren einfach nur Touristen. Manchmal wurde man von Touristen auch selbst als Fotomodell genutzt.
Ich kann mich noch an eine Touristengruppe aus den USA ganz schwach erinnern. Nix verstanden, aber knipsen konnten die. Wer weiĂ, in welchen Fotoarchiven der kleine Lockenkopp mit Kipper heute noch schlummert?
Uaf der Linde wurden Buden und BeobachtungsstĂ€nde gebaut, oder man fasste einfach mal nur in ein Wespennest. Im Hof nebenban wurde eine Grillecke gebaut, oder man fĂŒtterte einfach nur mal den SchĂ€ferhund vom Nachbarn im Hundezwinger. So war das eben mal alles ...
Es ist kalt, windig und naĂ und so noch ein paar abschlieĂende Worte fĂŒr heute, zur Burgkirche ...
Betrachtet man die Symbole vom Portal, so sehen ahnt man nicht, wo die eigentlich herstammen. Dieses Portal stammt aus dem alten, heute nicht mehr existenten Kloster "Marienzell", heute noch als KlostermĂŒhle, unterhalb der Fichten, bekannt. Das Kloster wurde im 30-jĂ€hrigen Krieg dem Erdboden gleichgemacht und die wenigen Reste dann baulich wiederverwendet. Neben der Burkirche, wurden auch Teile des Klosters fĂŒr den Wiederaufbau der
Stadtkirche St. Lamperti, nach dem letzten groĂen Stadtbrand 1678 wiederverwendet. Auch heute noch kann man dort einige verwendete Baureste, wie 2 SĂ€ulen, bewundern.
Querfurt wĂ€re aber nicht Querfurt, wenn es nicht fĂŒr kleine VerhĂ€ltnisse mehr im Vergrleich zu gröĂeren StĂ€dten gibt. Und so hatten wir einstmals 2 Klöster im Ort. Das Klsoter St. Benedikt befand sich auf dem GelĂ€nde der heutigen
Stadtschule.
Dort wo heute die Schule steht, befand sich der ehemalige Klostergarten inkl. eigenen Friedhofes. Als die Schule 1989/1990 grundlegend saniert wurde, 1989 schon mit Bauarbeiten am Schulhof begonnen wurde passierte folgendes:
Der Schulhof wurde StĂŒck fĂŒr StĂŒck aufgebaggert und die Erde temporĂ€r vor dem SchulgebĂ€ude gelagert. Wir damals in der 5. Klasse und spielten, fanden das spannend und tummelten uns an den Erdhaufen. Ein Schulkollege buddelete aus SpaĂ in einem Erdhaufen und hatte urplötzlich einen knöchernen Arm und einen TodenschĂ€del in der Hand.
"Ihhh" "Cool" ... waren wohl die ersten Reaktionen. Jemand gab dem SchĂ€del eine Stimme und erschreckte andere damit. Das blieb natĂŒrlich nicht lange unbeobachtet von der Pausenaufsicht. Die zustĂ€ndigen behörden wurden informiert und weitere AktivitĂ€ten untersagt. Es handelte sich hierbei um Ăberreste von alten vergessenen GrĂ€bern aus grauer Vorzeit, der Zeit, als das Kloster noch intakt war.
Heute?
Hier ist so gut wie nie was los. Querfurt liegt jenseits vom Highlife von GroĂstĂ€dten. Die Abwanderungswelle macht der Stadt auch zu schaffen. Wenn mal was los ist, dann auch nur BesĂ€ufnisse, teils unter der GĂŒrtellinie. Aber ... jeder noch soweit ausgewanderte Einwohner, kommt immer mal wieder hier her zurĂŒck und erinnert sich an seine alten Zeiten. Einen Wiesenesel oder ein Burgbild hat doch nehazu jeder ehemalige BĂŒrger unserer Stadt zu Hause. Egal wo man wohnt und wo man hingeht, seine Wurzeln vergisst man halt nie. Traurig? Nöö, da jede Epoche ihre Reize hat und ihre eigenen Geschichten erzĂ€hlt!
Und sei es nur der Til Schweiger Film, Hollywood ... irgendwie ist trotzdem was los, wenn man nur tiefgrĂŒndiger hinschaut!
Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute ...